top of page
Suche
  • Gallo

Spendenaktion: Update und Aussichten

Liebe Leute,

ihr erinnert euch an die Flutkatastrophe Mitte Juli und meine kleine Hilfsaktion, bei welcher ihr so zahlreich und großzügig gespendet habt? Ich bin euch längst ein Update schuldig und es ist mir wirklich extrem unangenehm, dass dies nun erst ein Vierteljahr später zustande kommt. Hierfür gibt es Gründe, und irgendwie auch keine. Vielleicht wird es für euch nachvollziehbar sein, wenn ihr meinen kleinen Bericht hier gelesen habt.


Zunächst einmal muss ich direkt zu Beginn zugeben, dass ich mich mit dieser ganzen Sache wohl etwas übernommen habe; wollte ich nach den Berichten im Fernsehen doch eigentlich nur meine sieben Sachen packen und im späten Juli gen Norden fahren, um während meines kurzen Urlaub-Intermezzos zwischen Job A und Job B wenigstens ein bisschen vor Ort mithelfen zu können.

Da ich aber selbst keine Ausrüstung hatte und nicht unbedingt mit einem leeren Auto dort ankommen wollte, habe ich im Familien- und Bekanntenkreis angefangen, nach Sachspenden wie alten Schaufeln, Stiefeln, Arbeitskleidung und dergleichen zu fragen. Schnell wurde mir auch finanzielle Unterstützung in Form von Spritgeld und kleinen PayPal-Zuwendungen angeboten, da die wenigsten noch brauchbares aber entbehrliches Werkzeug und Material in Keller und Garage herumliegen hatten.

Ich habe erkannt, das hier „mehr gehen“ könnte und so die Gallo & Friends Fluthilfe ins Leben gerufen. Das klingt fancy und wichtig, war am Ende ja aber eigentlich nur ein PayPal-Spendentopf, von dem ich mir in erster Linie einige wenige Taler für Investitionen in drei, vier Hilfsgüter erhofft hatte. Letzten Endes kamen innerhalb weniger Tage aber stolze 3200 Euro (!) aus teils wahnsinnig großzügigen Einzelspenden zusammen. Hierfür möchte ich euch noch einmal ganz herzlich danken, auch für das entgegengebrachte Vertrauen.

Nachdem ich am letzten Juli-Wochenende mit den Vorbereitungen dann endlich soweit war und den Obi-Markt Göppingen samstagabends um knapp 2000 Euro reicher gemacht hatte (wofür ich im Gegenzug zwei Notstrom-Aggregate, einen großen Hochdruck-Reiniger, einen Industrie-Sauger, diverses Werkzeug und Arbeitskleidung erhielt), konnte ich schließlich montagmorgens mehr oder weniger ausgeschlafen und stressbefreit gen Ahrtal aufbrechen. Der kleine Twingo war vollgestopft bis ins allerletzte Eck, die sonst so tolle und Sicherheit spendende Rundumsicht nicht mehr als eine ferne Utopie.

Die knapp 400 km lange Fahrt vorbei an Rhein, Vulkaneifel und dem Nürburgring verlief problemlos. Auch wenn es nach Norden und damit die Erdkugel hinauf ging, kamen Automobil und Fahrer doch unversehrt und mit einer Handbreit Restausdauer im Krisengebiet an. Und das war es, definitiv. Überall Berge an Schutt, kaputte und nicht mehr existente Straßen und Brücken, Sperrungen, überspülte Felder, abgerissene Bäume, verschwundene Häuser und blaue und olivgrüne Fahrzeuge, so weit das Auge reichte. Dazu aufgetürmte Schauerwolken und matschverzierte Windschutzscheiben, die die Stimmung nicht gerade aufgeheitert haben.

Da ich trotz Recherche und Kontakten in Facebook- und Telegram-Gruppen keine konkrete Anlaufstelle hatte (und die Sachspenden auch wirklich nicht bei einer x-beliebigen Sammelstelle abgeben wollte), bin ich nach der Ankunft im recht zentral gelegenen Ahrbrück zunächst einmal das Tal flussabwärts entlang gefahren, um mir einen Überblick zu verschaffen und nach arbeitswütigen Menschen Ausschau zu halten, die womöglich meine Hilfe benötigen konnten. Aufgrund einer Straßensperre und allgemein schlecht zugänglichen Seitenstraßen musste ich dann kurz vor Altenahr aber wieder umdrehen, weswegen ich mein Glück daraufhin weiter flussaufwärts versucht habe.

Schließlich bin ich im schwer getroffenen Örtchen Schuld auf Menschen in ziviler Arbeitskleidung gestoßen (zeitweise sah man an den Straßen wirklich nur noch THW-Menschen mit ihren Maschinen und Zelten), die vor einem Gasthaus standen und sich unterhielten. Ich habe den Wagen geparkt, bin zu Ihnen gelaufen und habe ganz banal gefragt, ob sie denn noch Hilfe brauchen könnten. Ich hätte außerdem noch Werkzeug mit an Bord, fügte ich hinzu. Die älteren Männer waren sehr überrascht und erfreut und haben mir zuerst einmal eine verschmutzte Flasche selbstgebrautes Bier angeboten. Nach dem obligatorischen Smalltalk stellte sich dann heraus, dass diese Gaststätte im August hätte neu eröffnet werden sollen, Mitte Juli dann aber bis zum ersten Stock unter Wasser stand. Umso übler, weil es sich um ein altes Gebäude mit reichlich Holz handelte. Innen war es zum Zeitpunkt meiner Ankunft glücklicherweise bereits ziemlich leergeräumt und trockenund, wenngleich unangenehm staubig. Baustelle eben. Der viele Matsch im Keller sei aber das Schlimmste gewesen, hieß es. Ich will nicht, NICHT, wissen, wie es im Ahrtal für Ersthelfer kurz nach der Flut ausgesehen haben muss.

Zu diesem Zeitpunkt wusste hier aber noch keiner, dass all die Arbeit im Landgasthaus Zum Köbes vergebene Liebesmüh sein würde. Denn wie sich im September durch einen zweiten Begutachter herausstellen sollte, würde an einem Komplettabriss des Gebäudes wohl nichts vorbeiführen – weil nicht garantiert werden kann, dass Gemäuer und Gebälk weiterhin standhaft bleiben und nicht im Verborgenen wegfaulen. Ein Schlag ins Gesicht für die unzähligen Helfer, die sich über Wochen teils völlig unabhängig voneinander dort eingefunden und tatkräftig dabei geholfen haben, die Innenräume zu entkernen und in den oberen Stockwerken kleine Wohnungen für Flutopfer aus der Nachbarschaft fertigzustellen.

Übel nicht? Aber wäre ja auch zu schön gewesen. Man hat an der Ahr zwar immer wieder ein wenig Hochwasser gehabt. Aber sowas? Teils geisteskrank hohe Pegelstände, Häuser unter Wasser bis zum Dachfirst? Das ist selbst für Bauingenieure und Statiker dann eine echte Herausforderung. Welches Haus kann noch gerettet werden, welches ist ein wirtschaftlicher Totalschaden, welches darf absolut nicht betreten werden, weil es akut einsturzgefährdet ist? Fragen über Fragen und allgemein kaum Antworten.

Wie dem auch sei. Ich konnte mich in jener ersten Augustwoche über drei Tage wenigstens ein bisschen noch dort einbringen, durfte viele nette Menschen aus allen Ecken Deutschlands kennenlernen, bin die Materialspenden an dankbare Gesichter losgeworden (mittlerweile in der Hoffnung, dass sie an die Nachbarn gegeben wurden und weiterhin durchs Dorf gereicht werden) und habe immer noch 1300 Euro zur Verfügung, um noch einmal etwas zu bewegen.


Ja, richtig gelesen. Wir haben nach wie vor über eintausend Euro aus dem Spendentopf übrig, weil ich eigentlich vorhatte, im September noch einmal hochzufahren, um bei der Vorbereitung auf die kalte und nasse Jahreszeit gezielt Unterstützung leisten zu können – denn nach wie vor weiß keiner so wirklich, wie es dort weitergehen wird. Allein das Thema Heizen ist kritisch. Hält das Stromnetz stand, wenn alle plötzlich notdürftig ihre Elektroheizungen anwerfen? Oder braucht es etwas anderes? Zudem nehmen die Spenden- und Helferflüsse schon seit langer Zeit stetig ab. Leider bin ich selbst seit August arbeitstechnisch gut eingespannt, weswegen ich für die Hilfsfahrt 2.0 schlicht noch keine Zeit finden konnte.


Dies stellt nun auch gleichzeitig den wichtigsten Grund dafür dar, warum ich euch noch nicht eher informiert habe. Ich wollte den Rest des Geldes nicht einfach an eines der vielen, teils undurchsichtigen Spendenkonten weiterleiten, nur um sagen zu können „ja, Leute, Spendenaktion beendet, alles Geld weg, cool, danke, tschüss“, so wie es mir der ein oder andere empfohlen hat. Zudem wurde dieses ganze Vorhaben ja über diverse Social-Media-Portale und Foren geteilt, weswegen ich nun gezwungen war, einen für alle erreichbaren Blog für diese Zeilen zu erstellen, da sich so etwas nicht in irgendwelche WhatsApp- oder Instagram-Stories packen lässt. Wie ihr seht, ist auch das hier ein nicht unerheblicher Aufwand, den ich zugegebenermaßen schon einige Wochen vor mir herschiebe, und welchen ich eigentlich erst am Ende der ganzen Aktion (und dann einmal richtig) auf mich nehmen wollte.


Nun ist es aber geschehen. Der Blog-Eintrag steht, ihr seid nun einigermaßen informiert. Zwar viel zu spät und auch nur über einen Zwischenstand, aber immerhin. Ihr könnt auf jeden Fall auf mich zählen, wenn ich euch sage, dass die restlichen 1300 Euro ebenfalls dem richtigen Zweck zugutekommen werden. Ich möchte das Geld wie gesagt nicht einfach nur loswerden, sondern sinnvoll investieren. Was wird jetzt gerade benötigt? Was könnte in den nächsten Wochen, vielleicht unerwarteterweise, gebraucht werden? Kann man die Kohlen womöglich in etwas Weihnachtliches investieren? Eine große, leuchtende Tanne inmitten der nun tristen Einöde Schulds, zum Beispiel?

Dafür reichen tausend Euro allein natürlich nicht, aber vielleicht gibt es bereits derartige Pläne, die darauf abzielen, der gesamten Gemeinschaft in den nun auch jahreszeitlich bedingt dunklen Monaten ein Licht für die Zukunft zu schenken. Denn im Privaten braucht jetzt keiner mehr Bohrhämmer, Gummistiefel oder Benzinkanister. Das ist alles zuhauf vorhanden. Spätestens jetzt geht es auch um seelischen Wiederaufbau und etwas Normalität und ich hoffe, dass sich in der nächsten Zeit unterstützenswerte Projekte dieser Art finden lassen werden. Ich halte die Augen offen und werde euch zeitnah davon berichten.


Nun hoffe ich, dass ihr jetzt nicht davor abgeschreckt seid, euch in Zukunft wieder bei derartigen Spendensammlungen zu beteiligen, weil diese meine Aktion vielleicht etwas holprig verlaufen ist. Ich selbst habe eigentlich nicht vor, so etwas noch einmal umzusetzen. Es ist ein Riesenaufwand und für perfektionistisch Angehauchte schnell ein Grund für Paralyse und Untätigkeit. Wo anfangen? Wo aufhören? Was, wie viel, wer, wie, wo? Vor allem, wenn es für einen selbst Neuland ist. Wobei ich sagen kann, dass ich definitiv aus meinen Fehlern gelernt habe und nun ja dieser Blog existiert, wo Infos zügig und für alle zugänglich publiziert werden können.


Zudem habe ich im Ahrtal und in den sozialen Medien gesehen, wie wahnsinnig gut so etwas laufen kann, wenn es nur eine(r) in die Hand nimmt und Leute davon erfahren. Wie viele Menschen aus den unterschiedlichsten Landkreisen nach Ahrweiler gefunden haben, mit Traktoren, Lastwägen und schwerem Gerät; vollbeladen mit Sach- und Geldspenden, die das Dorf eifrig mitgegeben hat – echt krass! Man kann über den gemeinen Deutschen sagen, was man will. Auch ich ziehe oft genug über ihn her. Doch in diesem kleinen unscheinbaren Tal irgendwo zwischen NRW und RLP hat sich diesen Sommer durchaus gezeigt: we’re all sitting in the same boat – gar: we Ahr family.


Herzlichst, Gallo









218 Ansichten0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen
Beitrag: Blog2_Post
bottom of page